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Zu dem Buch "Arbeit der Neuen Ordnung (NSG II)"

Der New Yorker Galerist John Gibson sagte über die Arbeiten Federles, sie seien eine Mischung aus Konstruktivismus und Expressionismus. Und diese beiden Pole sind die Extrempunkte, die sich Federle für seine Arbeit und auch für sein Leben gemacht hat: die in den Zeichnungen/ Bildern immer wieder auftauchenden Initialen (H E L.  M.  F.) belegen es. Die Initialen sind Symbole und somit Stellvertreter des eigenen Ich, sie dienen in der Arbeit selbst als ihr konstituierender Teil, als fremdwerdender oder schon im Verlauf des Zeichnens fremdgewordener Teil des Menschen selbst. Es scheint, daß die Veränderung im Bezug zu dieser, nach draußen gesetzten Seite des Ichs nur vonstatten gehen kann als erneute, immer wieder von vorne begonnene Anstrengung, um das Ich, obwohl Ausgangspunkt des Zeichenimpulses, zu konstituieren,   um es sich abgrenzen zu lassen. Und so ist es zu verstehen, daß dieses in einen unentrinnbaren Zwang eingebundene Ego - (wenn es für sich genommen überhaupt definierbar ist) - in der Disziplinierung des Zeichen-/Mal-/ Arbeits-/ Äußerungsimpulses und -triebes überstehen und überleben kann, im Spannungsfeld zwischen Expressivität (Aggression) und überlegenem Kalkül.


An den Anfang des Buches ist ein kurzer Text gestellt, in dem es heißt: "Männer erfrieren auf der Straße". (In welcher Kälte?) Es folgen vier Fotografien und dann erst die Reihe der Zeichnungen, deren erste Hälfte s/w abgedruckt ist, während für die zweite Hälfte auch ein stumpfes,   sparsames Blau hinzugefügt ist. Die Fotografien zeigen eine Obstschüssel, einen Revolver, eine Männeruhr, einen Füllfederhalter. Sie fassen die Spannung zusammen zwischen dem, was hereingebrachte Natur sein kann, der schon vermittelte Rest des "natürlichen" Lebens und die Aggression auf diesen Zustand; der Revolver, und die Versatzstücke Uhr (Zeitmessung und Zeitablauf) und das Schreibgerät. Das Schreib-/Zeichengerät (die Zeichnungen sind Kugelschreiber- oder Bleistiftzeichnungen) als eine Möglichkeit, die Flucht anzutreten und gerade durch die Tätigkeit des Zeichnens/Schreibens die eigene, sich ändernde Position zu reflektieren und dadurch erst schmerzhaft spürbar zu machen.


Und schließlich ist es der Nachvollzug dieses Reflexionsvorganges, der den Betrachter trifft und herausfordert; und geht er bei diesem Abenteuer einen einzigen Schritt mit, so sieht er sich dem Gegensatz ausgeliefert, der in fast allen im Buch einander gegenübergestellten Zeichnungen gegenwärtig ist, welche das Einfrieren der Form und die Unfähigkeit eine Form zu präzisieren manifestieren, oder er ist sogar aufgeladen von der in ihnen abgelegten Energie.


Beim Betrachten dieses Buches, bei seinem Studium, kann es passieren, daß man plötzlich wieder weiß, daß keine Kompromisse (mehr?) möglich sind, sondern nur ein Leben und Tun in gespannter, widersprüchlicher Gelassenheit.


E.   Stegentritt (1983)

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